CD und Musik-Neuerscheinung
»Mountains & Molehills«
VÖ: 26.11.2021
Label: Rosenau Records / Galileo
Das Wandern ist des Musikers Lust. So war das doch, oder? Zumindest trifft das auf den 33-jährigen Jazz-Saxophonisten Michael Binder zu. Er legt mit seinem Trio Mangàrt ein Debüt vor, das sich mit starken Motiven der Romantik befasst: Fernweh, Reise, Suche, Abenteuer. Wie das, übersetzt in die Sprache des Contemporary Jazz klingt, ist auf „Mountains & Molehills“ zu hören. In Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk und seinen beiden Weggefährten Peter Christof am Kontrabass und Florian Fischer am Schlagzeug ist Michael Binder ein einfalls- und abwechslungsreiches Konzeptalbum gelungen, bei dem sich das Mitspazieren für Freunde des offenen Ohres lohnt.
Den Blick schweifen lassen, über Gipfel und Täler, neue Wege entdecken, raus aus dem Alltag der Stadt, rein in die Natur, in Bewegung bleiben – denn in der Ruhe liegt der Rost. Das ist die Kernbotschaft der sieben Stücke, die so klingende Namen tragen wie „An der schönen blauen Soča“, „Das Tal ruft“, oder „La vue est belle“. Der Weg ist eben nicht nur das Ziel, sondern er ist zudem auch noch schön. Beim Trio Mangàrt – benannt nach einem slowenischen Berggipfel – wird schnell klar, warum Wandern und Jazz so gut zusammengehen. Beidem wohnt die Freiheit inne. Die Freiheit, dort hinzugehen, wohin es einen zieht.
Auf gewohntem (Hör-)Pfad oder querfeldein durchs unberührte Neuland. Mal geht’s zäh nach oben, dann wieder unbeschwert runter. Mal ist der Höhepunkt ein steiler Gipfel, ein andermal leuchtet die weite Hochebene. Plötzlich wird’s schräg, eben so wie der unstet gewachsene Baum mit den knorpeligen Ästen da hinten am Abgrund. Dann Gesprächsfetzen, Humoriges, Ernstes.
Es sind diese Bilder, die Michael Binder in der Natur aufsaugt und am liebsten nachts am Klavier zu Kompositionen des vergangenen Tages vertont. Entstanden ist die Idee zu den Aufnahmen, die auch ohne Harmonieinstrument vortrefflich miteinander harmonieren, durch das Nürnberger Zikaden-Festival der Metropolmusik. „Uns wurde eine Konzertwoche angeboten und es hat mich gereizt, etwas Neues auszuprobieren. Wir kannten uns zwar als Musiker schon lange, aber in dieser Konstellation hatten wir zuvor noch nicht gespielt“, so der Bandleader. „Die Kommunikation funktionierte von der ersten Sekunde, das Verständnis war da.“
Seine Liebe zur Natur ist Binders Kindheit auf dem Land im sieben Häuser zählenden Wullendorf in Niederbayern geschuldet. Die Liebe zur Musik wuchs beim ersten Klavierspiel mit vier Jahren, mit acht dann der erste Saxophonunterricht. Es folgten Landesjugendjazzorchester, Wettbewerbe und Siege bei Jugend jazzt auf Landes- und Bundesebene, ein Kulturförderpreis der Stadt Straubing, Vorspiele an fünf Musikhochschulen. München, Köln, Wien, Mannheim und Nürnberg, alle hätten ihn haben wollen. Binder ging zum Jazzsaxophon-Studium nach Nürnberg zu Klaus Graf, Hubert Winter und Steffen Schorn, erweiterte seinen Horizont in Masterklassen bei Größen wie Bob Mintzer, Dick Oatts und Jim McNeely. Er konzertierte mit Don Menza, Dusko Goykovich oder Paolo Cardoso. Tourneen mit seinem eigenen Sextett und als Sideman führten ihn quer durch Europa. Als Mitglied der Band BamesreiterSchwartzOrchestra ist er seit 2018 zudem Jazz-Echo-Preisträger in der Kategorie „Newcomer“.
Und so darf man gespannt darauf sein, welchen Weg der sympathisch-geerdete Saxophon-könner als nächstes einschlagen wird. Auf dass der Pfad seiner Karriere immer steil bergauf führen möge. Na dann: Andiamo!